Seitdem die Familie Clarence Dillon 1935 das Château Haut-Brion sowie 48 Jahre später die benachbarten Château La Mission Haut-Brion und La Tour Haut-Brion erworben hatte, gehören die Weine dieser Güter zu den größten Sammlertrophäen von Bordeaux. Wir erforschen den Stammbaum dieser berühmten Châteaux – und der Weine, deren Geschichte verloren gegangen ist. 

Château Haut-Brion ist einer der ältesten und bekanntesten Namen bei edlen Weinen. Das Bordeaux Premier Cru Weingut wurde 1533 von Jean de Pontac gegründet, und seine Weine gehörten zu den ersten, die exportiert wurden. Aus historischen Aufzeichnungen geht hervor, dass der englische König Karl II. im Jahr 1660 seinen Gästen bei einem Empfang 169 Flaschen des (damals als „Hobriono“ bekannten) Weins servieren ließ. Der Autor Samuel Pepys trug wenige Jahre später, am 10. April 1663, in sein Tagebuch ein, dass er eine Art französischen Wein namens „Ho-Bryan“ mit einem guten und so außergewöhnlichen Geschmack getrunken hätte, wie er ihm noch nie zuvor begegnet wäre. 

 

Château Haut-Brion ist dafür bekannt, dass es das erste Weingut in Bordeaux war, das seine Weine unter der Bezeichnung Grand Cru abfüllte und etikettierte, und damit gleichzeitig den Namen der Domaine als auch den Ursprung des Weins deklarierte – die Bezeichnung „Haut-Brion“ hat eine historische Beziehung zu mehr als einem anderen Weingut in der Region Graves. Der Name Haut-Brion lässt sich in etwa als „kleiner Hügel“ übersetzen und verweist auf die Erhebungen aus Kiesel, die in den benachbarten Weinbergen zu finden waren. Es sind genau diese unverwechselbaren, aus Kies der Günz-Kaltzeit bestehenden Erdaufschichtungen, die über die letzten 500 Jahr solch ideale Bedingungen für den Anbau von Trauben geschaffen haben, indem sie bei den morastigen Flachlandgebieten von Bordeaux für die zum Gedeihen der Reben unabdingbare Entwässerung sorgen. Unter dem tiefen Kies liegt ein Lehmsockel, der die Feuchtigkeit speichert und nur bei Bedarf in den trockenen Sommermonaten freigibt. Dieses Terroir ist das Geheimnis hinter der historischen Beständigkeit der Lagen von Bordeaux. 

Andere berühmte Châteaux, die den Namen Haut-Brion teilen, liegen allesamt in der Region Graves, am südlichen Rand der Stadt Bordeaux. Das Château la Mission Haut-Brion, das direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite liegt, aber mit seinen Weinbergen unmittelbar an die von Haut-Brion angrenzt, ist das bekannteste. Château Les Carmes Haut-Brion und Château la Tour Haut-Brion sind die direkten Nachbarn im Norden bzw. Süden. 

Im Gegensatz dazu liegt Ch. Larrivet Haut-Brion nicht in der Nähe der genannten Güter, sondern weiter im Süden, in der Nähe von Ch. Smith Haut Lafitte. Das Gut änderte seinen Namen 1874 von La Rivette zu Ch. Haut-Brion Larrivet, musste sich aber, nachdem es von Ch. Haut-Brion 1949 verklagt worden war, in Larrivet Haut-Brion umbenennen. (Weder Les Carmes de Haut-Brion noch Larrivet Haut-Brion haben eine Verbindung zu Ch. Haut-Brion oder dem Gesamtbesitz des Unternehmens Clarence Dillon.) 

Heutzutage sind Ch. Haut-Brion und das benachbarte Ch. la Mission Haut-Brion die zwei Vorzeigegüter der Domine Clarence-Dillon. Clarence Dillon war ein amerikanischer Einwanderer, der sein Vermögen in den 20er Jahren als Börsenhändler an der Wall Street erwirtschaftet hatte. Er besaß französische Vorfahren und auch eine Vorliebe für französische Küche, was ihn sogar dazu bewegte, einen Anfängerkurs bei der berühmten Pariser Kochschule Le Cordon Bleu zu belegen. Er verbrachte einen Großteil seiner freien Zeit in Frankreich und überredete 1935 schließlich den damaligen Eigentümer von Ch. Haut-Brion André Gilbert, ihm sein Lieblingsweingut zu verkaufen. Seitdem befindet sich dieses im Besitz der Dillon Familie. 

 

Clarence Dillons Enkelin Joan Dillon und ihr zweiter Ehemann Philippe de Noailles, Herzog von Mouchy, bauten ihr Besitztum in der Region weiter aus, nachdem sie 1983 Ch. la Mission Haut-Brion and Ch. la Tour Haut-Brion gekauft hatten. Nach diesem Erwerb wurden der Domaine noch ein paar weitere berühmte, in der Nachbarschaft liegende Weingüter einverleibt, danach aber einige ihrer Weine eingestellt, deren Trauben stattdessen für Haut-Brion oder La Mission Haut-Brion verwendet wurden. 

Das Sortiment von 1983 schloss somit die Grand Vins Haut-Brion und Haut-Brion Blanc, La Mission Haut-Brion und den berühmten Weißwein Laville Haut-Brion ein. Zusätzlich erzeugte Ch. Haut-Brion noch einen roten Zweitwein unter dem Namen Bahans Haut-Brion und einen zweiten Weißwein unter dem Namen Les Plantiers Haut-Brion. Auf Ch. La Mission Haut-Brion brachte man einen zweiten Rotwein namens La Chapelle de la Mission Haut-Brion und dazu noch den Rotwein von Ch. la Tour Haut-Brion heraus. 


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Nachdem 2008 mit Prinz Robert von Luxemburg die vierte Generation der Familie Clarence Dillon die Leitung des Unternehmens übernommen hatte, fand eine Vielzahl von Namensänderungen statt, wobei jedoch die Bezugsquellen für die Trauben die gleichen blieben. Ab dem Jahrgang 2008 wurde der Name Les Plantiers Haut-Brion in La Clarté de Haut-Brion geändert, während aus Bahans Haut-Brion 2007 Le Clarence de Haut-Brion wurde. La Missions berühmter Weißwein Laville Haut-Brion erhielt 2009 seinen ursprünglichen Namen La Mission Haut-Brion Blanc zurück. 

Für den Prinzen waren die Namensänderungen hauptsächlich dazu gedacht, das Sortiment für Sammler zu vereinfachen. La Missions Spitzenweißwein hatte ursprünglich schon seit dem ersten Jahrgang 1923 La Mission Haut-Brion Blanc geheißen, aber dann dachte man auf dem Gut, dass die Qualität des Weins nicht an die des Rotweins heranreichte und änderte deshalb in den 30er Jahren den Namen in Laville Haut-Brion (nach dem Ort, wo die weißen Trauben angebaut wurden). Bahans Haut-Brion war ursprünglich ebenso nach dem Ort, wo seine Tauben wuchsen, benannt. Die Änderung zu Le Clarence de Haut-Brion war dazu gedacht, klarzustellen, dass es sich um einen Zweitwein, und nicht einen Cuvée von einem anderen Weinberg, handelte. (Gleichzeitig wollte man damit das Andenken von Prinz Roberts Urgroßvater ehren.) 

Der Verlust von Ch. la Tour Haut-Brion nach dessen letztem Jahrgang 2005 fiel sicherlich am meisten ins Gewicht. Bevor Clarence Dillon dieses vier Hektar große Gut 1983 erwarb, wurde ein Teil seiner Ernte für den Grand Vin von La Mission Haut-Brion verwendet, während der Rest unter dem Namen La Tour Haut-Brion abgefüllt wurde. Clarence Dillon begann dann die gesamte Ernte dieser Weinberge als Ch. la Tour Haut-Brion auf den Markt zu bringen. Das Gut wurde äußerst populär und erarbeitete sich den Namen, dass es mit großer Beständigkeit beeindruckend langlebige Weine hervorbrachte, die in Anbetracht ihrer Qualität vergleichsweise preisgünstig waren. 2005 wurde dann auf der Domaine Clarence Dillon der Beschluss gefasst, die ganze Ernte dieser Weinberge in La Chapelle de la Mission Haut-Brion, den Zweitwein von La Mission Haut-Brion, einzubringen – Ch. La Tour Haut-Brion war Geschichte. 

Zwischen den 50er Jahren und 2012 gab es noch einen zusätzlichen Wein unter der Bezeichnung Domaine de la Passion Haut-Brion, später noch Domaine Allary Haut-Brion. Interessant an diesem Wein ist die Tatsache, dass er von einer Parzelle direkt im Herzen der Weinberge von Haut-Brion stammte, die aber der Familie Allary gehörte. Die Allarys machten keinen eigenen Wein und verpachteten die Reben an Château Haut Brion, die sie dafür mit einer mit dem Etikett Domaine de la Passion Haut-Brion ausgestatten Sonderfüllung entgalten. Unter anderen Umständen hätten die Trauben von dieser Parzelle auch im Grand Vin oder Zweitwein von Haut-Brion Verwendung finden können. Diese Sonderabfüllung gab es zwischen 1954 und 1978, bis die EU 1979 ein Gesetz erließ, das es untersagte, einen Wein von einer Lage unter verschiedenen Namen zu vermarkten. Deshalb wurde der Ertrag dieser Reben zwischen 1979 und 2007 für den Zweitwein von Haut-Brion, bekannt als Bahans Haut-Brion, verwendet. 2008 beschloss die Familie Allary dann, von ihrer Parzelle unter der Leitung des Önologen Stéphane Derenoncourt ihren eigenen Wein zu machen und als Domaine Allary Haut-Brion zu verkaufen. Dies währte gerade einmal fünf Jahre, bis 2012 die Domaine Clarence Dillon der Familie Allary das Land abkaufte und die Produktion dieses Weins einstellte. 

2011 expandierte die vierte Generation der Dillon Familie unter der Führung des Prinzen Robert von Luxemburg über die Grenzen der Region Graves hinaus in die Appellation Saint-Emilion, wo man das Château Tertre Daugay erwarb, zusammen mit dem Besitz des benachbarten Château l’Arrosée. Die beiden Güter wurden zusammengelegt und in Château Quintus umbenannt. In idealer Lage, direkt neben Ch. Bélair-Monange and Ch. Angélus, befinden sich die Weinberge auf kalkhaltigen Hängen, am südwestlichen Ende des Kalkplateaus von Saint-Emilion. 2021 kaufte die Domaine Clarence Dillon schließlich mit Ch. Grand Pontet noch weitere 14 Hektar besten Saint-Emilion Terroirs, um das Quintus-Gut noch einmal zu erweitern. Nachdem sich das Management der Weinberge sowie die Produktion nun alle zusammen in der Hand des talentierten Teams von Haut-Brion befinden, ist es kein Wunder, dass Quintus sehr schnell seine eigene Sammlergefolgschaft gefunden hat. Außer dem Grand Vin gibt es seit 2011 noch den Zweitwein Le Dragon de Quintus, und seit 2014 auch einen Drittwein unter dem Namen Saint-Emilion de Quintus.  

Die Weine der nicht länger existierenden, in anderen Gütern aufgegangenen Châteaux sind immer schwerer zu finden, aber sie gewähren einen faszinierenden Einblick in die komplette DNA der heutigen Güter Haut-Brion, La Mission Haut-Brion und Quintus. 

Diese verlorenen Güter und Weine sind immer schwerer zu finden, aber sie gewähren einen faszinierenden Einblick in das Erbgut der heutigen Haut-Brion, La Mission Haut-Brion und Quintus. 

 

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Urheberrecht, Domaine Clarence Dillon


IHR KURZFÜHRER ZU DEN HAUT-BRION WEINEN

Allary Haut-Brion (Domaine): zwischen 2008 und 2012 von einem separaten Winzerteam aus einer Parzelle im Herzen der Lage Haut-Brion gekeltert (die jetzt im Besitz von Haut-Brion ist)


Bahans Haut-Brion: der Zweitwein von Ch. Haut-Brion, der 1976 erstmals hergestellt wurde und seit dem Jahrgang 2007 den Namen Le Clarence de Haut-Brion trägt


Haut-Brion: der Grand Vin (rot) von Ch. Haut-Brion, der auf das 16. Jahrhundert zurückgeht


Haut-Brion Blanc: der Grand Vin (weiß) von Ch. Haut-Brion, der erstmals 1916 hergestellt wurde



La Chapelle de la Mission Haut-Brion: Der zweite Wein von La Mission Haut-Brion, der 1991 eingeführt wurde


La Clarté de Haut-Brion: der Name des zweiten Weißweins von Ch. Haut-Brion aus dem Jahrgang 2008 (vorher Les Plantiers Haut-Brion Blanc)


La Mission Haut-Brion: der Grand Vin (rot) von Ch. la Mission Haut-Brion, der seit dem 16. Jahrhundert hergestellt wird


La Mission Haut-Brion Blanc: der Grand Vin (Weißwein) von Ch. la Mission Haut-Brion, der erstmals 1923 unter diesem Namen hergestellt wurde, bevor er in den 1930er Jahren in Laville Haut-Brion umbenannt wurde und seit 2009 wieder seinen Namen trägt


La Passion Haut-Brion (Domaine de): eine Abfüllung von Haut-Brion oder Bahans Haut-Brion unter einem anderen Etikett (von 1955 bis zu seinem letzten Jahrgang 1978)


La Tour Haut-Brion: ein separates Weingut, das sich seit 1983 im Besitz von Clarence Dillon befindet (letzter Jahrgang 2005); die Früchte werden heute für den Zweitwein von La Mission Haut-Brion, La Chapelle de la Mission Haut-Brion, verwendet


Laville Haut-Brion: der Grand Vin (Weißwein) von Ch. la Mission Haut-Brion, der 2009 in la Mission Haut-Brion Blanc umbenannt wurde (so hieß er ursprünglich, als er vor den 1930er Jahren hergestellt wurde)


Le Clarence de Haut-Brion: der Name des zweiten (roten) Weins von Ch. Haut-Brion seit dem Jahrgang 2007 (vorher bekannt als Bahans Haut-Brion)


Les Plantiers Haut-Brion Blanc: der zweite Weißwein von Ch. Haut-Brion, seit dem Jahrgang 2008 umbenannt in La Clarté de Haut-Brion


Hier finden Sie alle derzeitigen Bestandslisten von Ch. Haut-Brion, Ch. La Mission Haut-Brion, Quintus, La Passion Haut-Brion und La Tour Haut-Brion


Verfasser: Gavin Smith